Treffpunkt Wagenburg

Freiheit leben und Frei-Zeit genießen

Lisa Bellman (Studierende Uni Freiburg) war beim Treffpunk Wagenburg dabei. Ihren Bericht veröffentlichen wir hier ungefiltert:


Wir sind zu Gast bei „Treffpunkt:Wagenburg“ auf SUSI (Selbstorganisierte-Unabhängige SiedlungsInitiative) im Vauban: Direkt neben Haus A steht Arne mit seinem Wagen, einem riesigen, dunklen UPS-Laster, der an ein enges, buntes Ein-Zimmer Apartment erinnert. Eine golden gerahmte Tafel heißt uns herzlich willkommen und verbreitet ein schönes Gefühl. Gespannt und bepackt mit Kuchen, Brötchen und Quarkspeise betreten wir einen abgegrenzten Bereich hinter dem belebten Kinderspielplatz, der einem Garten ähnelt. Aus den Boxen einer Freiluft-Werkstatt tönt französischer Ska, junge Männer mit dicken Pullis, Mützen und wildem Haar lachen gemeinsam. Wir stellen uns vor und vergessen gleich viele Namen wieder, denn es herrscht ein buntes Kommen und Gehen. Zum Beispiel steht Lenni hier mit seinem Wagen nur zu Besuch. Eigentlich lebt Lenni mit seinem Sohn in der Wagenburg der Schattenparker, steht jedoch öfters von Donnerstag auf Freitag hier bei seinem alten Freund Arne, weil er Chorprobe auf SUSI hat. Die beiden kommen gar nicht so weit, uns herumzuführen, da werden sie von uns schon mit Fragen gelöchert. Wer lebt hier? Warum lebt ihr hier? Hat jeder seinen eigenen Wagen? Und wo ist eigentlich das Bad? Arne erzählt, dass er einen Mietvertrag mit SUSI hat, der für ein Jahr läuft und ihm erlaubt, die sanitären Anlagen in einem der Wohnhäuser mitzunutzen. Und Lenni lädt uns direkt ein, sein Heim zu besichtigen. Er legt seinen ausgebauten Laster noch schnell mit Pappkarton aus, sodass die Besucher ihre Schuhe nicht ausziehen müssen: In der Ecke steht ein kleiner Holzofen, gleich daneben ein Sofa. Das Bett ist zwischen den vollbepackten Regalen schwer auszumachen. Es ist ein zusammengeklappter Lattenrost mit Matratze und hängt an der Wand. Bis auf das Fahrerhaus ähnelt der Wagen keineswegs mehr einem Laster.

Es wird Zeit, mit dem Kochen anzufangen, schließlich sind wir alle hungrig. Arne und seine Freundin Rebecca, die mit dem gemeinsamen zweijährigen Sohn aktuell in einer Wohnung wohnt, haben Möhren, Kürbisse, Schneidebretter und Messer bereitgestellt.

Es ist ein Abenteuer, draußen die Suppe zuzubereiten. Es stehen drei Tische zwischen Wagen und Werkstatt. Hier wird zusammen geschnippelt und gequatscht. Zum Glück gibt es Tee, der die Hände und den Bauch wärmt. Uns war nicht bewusst, dass nicht drinnen gekocht wird und wir staunen über die vollfunktionsfähige Outdoor- Küche. Es fühlt sich an wie Campingurlaub, als müsse man ständig improvisieren. Für uns ist es ungewohnt, das Wasser, welches aus einem Gartenschlauch kommt, vor dem Spülen erst auf dem Herd zu erhitzen. Für Arne und seine Freunde ist das aber Alltag. Das Leben alleine nimmt viel mehr Zeit in Anspruch, denn die grundsätzlichen Bedürfnisse strukturieren hier die Woche. Kann Freiheit auch einschränken? Arne lebt bewusst von wenig Geld, er möchte keine Lebensmittel verschwenden, recycelt so viel wie möglich. Geht bei all diesen Einschränkungen nicht zu viel Freiheit verloren? Arne versteht uns nicht. Er habe durch die niedrigen Unkosten mehr Freizeit, die er liebe. An vielen Stellen des gemeinsamen Kochens fragen wir uns, wieso wir nicht so wohnen. Wir sind nicht ohne Grund zu diesem Treffpunkt gekommen, denn auch uns reizt das Nomadenleben. Die Antwort ist leider viel zu schnell gefunden: Wir sind zu bequem. Warme Räume und ein festes Dach über dem Kopf sind uns ans Herz gewachsen. Aber geben wir dafür Freiheit auf? Wir beugen uns kapitalistischen Sachzwängen und zahlen zu viel Miete für zu wenig Raum. In Freiburg gibt es nicht genug Platz. Arne schwärmt von Städten wie Leipzig und Bremen, deren Politik dem Wagenleben toleranter gegenübersteht. Denn hier sehe die Stadt in den Wägen eine Bedrohung. Viele Bewegungen, Kollektive und Gemeinschaften sind mit ihr in einen ständigen Kampf um ihr mobiles Zuhause verwickelt. Sie würden gerne ungenutztes Gelände vor der Bebauung bewohnen und umziehen, sobald es gebraucht würde. Wir fragen uns, über unsere heißen Suppen gebeugt, wieso Wägen so schwer in das Stadtleben zu integrieren sind. Arne findet kaum Worte, um seine Entrüstung darüber zu zeigen, dass sich die Stadt für Wagenburgen ausspreche, es aber am Platz scheitere. Er erzählt, wie er damals seinen Wagen teuer freikaufen musste, als das „Kommando Rhino“ im Vauban geräumt wurde. Er ist wütend über die Kriminalisierung des Wagenlebens.

Wir löffeln unsere Suppe leer und fragen ihn über sein Leben im Alter aus. Er wird nachdenklich und kann uns nichts über solch ferne Zukunftspläne verraten, da er selber keine Vorstellung habe. Ihm sei nur wichtig, dass es kein Dogma sei in einem Wagen zu leben, und er so frei sein möchte, sich auch von Konzepten zu lösen oder diese verändern zu können. Wir witzeln, dass er einmal eine Wohnung im Vauban besitzen und diese bestimmt zu Höchstpreisen an Studierende vermieten wird.

Schließlich wird der Kaffee serviert, was zu erneuten Staunen über die Möglichkeiten der Küche führt. Wir genießen unsere Latte Machiatos und sind dankbar, so einen intimen Einblick in Arnes Leben bekommen zu haben!

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