„The Civil Wars“

Eine Kritik von Jill Cornet (Studierende Uni Freiburg)

In Kooperation mit dem Deutschen Seminar der Universität Freiburg besuchen StudentInnen im Rahmen eines Seminars die Gastspiele des Festivals. Ihre Kritiken veröffentlichen wir hier ungefiltert.


Am 22. November wurde im Rahmen des Festivals Politik im freien Theater zum zweiten Mal The Civil Wars, eine Produktion von Milo Rau, aufgeführt. Ein Wohnzimmer wird zum Austragungsort der persönlichen Geschichten der Darsteller. Dieses Bühnenbild erinnert an ein gemütliches, heimisches Wohnzimmer, und der Eindruck, dass die Darsteller das Publikum in ihren privaten Raum einladen, um mit ihm über persönliche Erlebnisse und Geschehnisse zu reden, gibt dem Stück den Rahmen eines privaten Ortes, der nicht mit dem öffentlichen Raum des Theaters in Verbindung steht. Der Prolog und der Epilog, die beide auf die Situation einer fremden Person im heimischen Wohnzimmer Bezug nehmen, unterstreichen diesen Eindruck der Privatheit. Bereits im  Prolog spricht Sébastien Foucault, einer der beiden französischsprachigen Schauspieler, über das irritierende Gefühl, das einen überkommt wenn man sich in einem fremden Wohnzimmer befindet.

Neben ihm stehen, oder viel mehr sitzen, drei weitere Schauspieler auf der Bühne. Sara de Bosschere und Johan Leysen, die ihre jeweiligen Erlebnisse in flämischer Sprache erzählen, und Karim Bel Kacem, der ebenfalls Französisch spricht. Der Eindruck, sich in einem fremden Wohnzimmer zu befinden, verlässt das Publikum während der, in fünf „Kapitel“, gegliederten Vorstellung nicht. Die große Leinwand, die die Gesichter der Schauspieler während ihrer Erzählungen abbildet, zeigt jegliche Gefühlsregung und unterstreicht weiter das Gefühl des Zuschauers sich in einer privaten Unterhaltung zu befinden.

Prolog und Epilog beschäftigen sich mit der Geschichte eines belgischen Jugendlichen, der nach Syrien geht, um dort an der Seite der Djihadisten zu kämpfen. Sein Vater setzt alles in Bewegung, um seinen Sohn nach Belgien zurück zu holen, was ihm am Ende auch gelingt. Es wird deutlich: Eine solche aktive Vaterfigur, die für sein Kind und dessen Wohlbefinden kämpft, wünscht sich jeder. Im Mittelpunkt der privaten Geschichten der Darsteller steht, im Gegensatz dazu, das Fehlen einer solchen Vaterfigur. Die Erzählungen zeigen beispielhaft die gesellschaftlichen Veränderungen in Europa in den letzten Jahrzehnten und die Schauspieler nutzen das Medium Theater um den Schritt aus dem privaten Raum in die Öffentlichkeit zu tätigen.

Am Ende bleibt die Frage, die jeder Zuschauer für sich selbst beantworten muss, ob und wie und in welchem Rahmen man aktiv werden kann, um die Gesellschaft und die Politik Europas mitgestalten zu können.

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