„Past is Present“

Eine Kritik von Jill Rock (Studierende Uni Freiburg)

In Kooperation mit dem Deutschen Seminar der Universität Freiburg besuchen StudentInnen im Rahmen eines Seminars die Gastspiele des Festivals. Ihre Kritiken veröffentlichen wir hier ungefiltert.


Am Abend des 17. Novembers 2014 wurde im Theater im Marienbad die zweite Vorstellung von Corinne Maiers Produktion Past is Present gezeigt. Bei diesem Stück, das im Rahmen des Theaterfestivals Politik im freien Theater aufgeführt wurde, wird dem Zuschauer nicht nur einen sehr unterhaltsamen, sondern auch einen sehr authentischen Blick in das Leben einer bengalischen Familie geboten. Es handelt sich dabei um einen kulturellen Konflikt in der Familie des Protagonisten und Regie-Kameramanns Shaheen Dill-Riaz aus Dhaka. Dessen Schwester Mutul hat während ihres Auslandstudiums in Australien heimlich geheiratet und zwar den Bruder des Erzfeindes des Vaters. Interessant ist dabei nicht nur das Problem der Heirat an sich, sondern die außergewöhnliche Umsetzung auf einer sehr einfachen Bühne, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Shaheens tatsächlicher Wohnung in Berlin aufzeigt. Anne Haug, die einzige Darstellerin neben Shaheen Dill-Riaz erzählt in sarkastischem Ton aus dem Leben ihres Kollegen, als wäre es ihr eigenes. Neben dieser fast schon auktorialen Erzählung wurde die Aufführung von zahlreichen modernen Medien unterstützt: Videomaterial aus Shaheens neuestem Dokumentationsfilm wird auf einer, im Bühnenbild integrierten, Leinwand gezeigt, Skype-Anrufe werden getätigt und mehrmals klingelt das Telefon. Shaheen Dill-Riaz spielt nicht nur vorher aufgenommenes Kameramaterial vor, sondern er macht auch keinen Halt vor Auftritten mit der Kamera auf der Bühne. Die Reaktion des Publikums über diese zentrale Verarbeitung medialer Techniken in ein Theaterstück war überaus positiv, nicht nur Anne Haugs ernste Darstellung brachte die Menschen zum Lachen, sondern auch die übertriebene und hochemotionale Reaktion der Eltern auf die heimliche Heirat der Tochter in den Videoprojektionen. In Past is Present wird, wie der Titel es schon sagt, zwar ein kulturell-abhängiges Problem, das wir in der westlichen Tradition heute eher als veraltet und altmodisch einstufen, mit neuesten Medien authentisch in die Gegenwart projiziert. Doch neben dieser Feststellung zeigt das Stück auch wie es den Familienmitgliedern, die auf unterschiedlichen Kontinenten leben, gelingt, miteinander zu kommunizieren. Dieser private Kontext wird auf einer sehr allgemeinen und aktuellen Fläche vorgeführt. Past is Present ist eine kleine Inszenierung, die sehr frei mit ihrer Darstellung arbeitet und somit viel in sich verbirgt. Der Protagonist selbst beantwortet die eine Frage, die dem Zuschauer vielleicht gegen Ende der Vorstellung im Kopf herumschwirrt, nämlich warum er das macht, mit warum nicht?

Comments are closed.