Netzkultur-Lab
Subversive Elemente
Wie verwenden Regisseure und Performer digitale Technologien, wie reflektieren sie sie und welche Internet-Kenntnisse braucht ein Künstler heute? Und ist nicht jede Art von Bühne, sei sie ein klassischer oder ein öffentlicher Ort, ein mit theatralen Mitteln zu programmierender, virtueller Raum? Eine Veranstaltung über Grenzüberschreitungen, Selbstaufklärung und Hackertum als Teil der zeitgenössischen Bühnenkunst.
Mehr als „was mit Twitter“
Das Internet ist im Theater angekommen. Dabei geht es allerdings um mehr als das Einbinden eines Youtubevideos oder „was mit Twitter“. Theatermacher sind heute immer auch User, dargestellte oder zu reflektierende Realität ist auch Netz-Realität. Und ist nicht jede Art von Bühne, sei sie ein klassischer oder ein öffentlicher Ort, ein mit theatralen Mitteln zu programmierender, virtueller Raum? In diesem Workshop können eigene Stückideen und Arbeitsweisen zur Digitalisierung mit Experten diskutiert werden.
Workshop (für 15 Teinnehmer), Bewerbung mit kurzem Lebenslauf an: netzkultur@berlinerfestspiele.de
Freitag 21. November 11.00–16.00 Uhr Theater Freiburg, Winterer-Foyer
Teilnahme kostenfrei
Der französische Künstler und Wissenschaftler Benjamin Gaulon setzt sich in seinen Arbeiten mit der Konsumgesellschaft auseinander, mit Recycling und der geplanten Obsoleszenz bei Produkten. Er studierte visuelle Kommunikation in Straßburg (Frankreich) und interaktive Medien und Umwelt in Groningen (Niederlande). Unter dem Pseudonym „Recyclism“ entwickelt er interaktive Installationen aus Elektroschrott wie das „Recycling Entertainment System“, das sechs Nintendo-Konsolen zu einem elektronischen Musikinstrument verschaltet, oder den Graffiti-Roboter „Printball“ aus einer Paintball-Pistole. Sein Arbeiten wurden international gezeigt und vielfach ausgezeichnet, seit 2005 gibt er international Workshops und hält Vorträge über Hardware Hacking, Recyclen, digitale Kunst und Graffiti. Benjamin Gaulon ist Mitbegründer des Irish Museum of Contemporary Art und des Recyclism Hacklab, einem kollaborativen Workspace in Dublin. Derzeit lebt er wieder in Paris und ist Programmdirektor des Studiengangs Design und Technologie an der Parsons Academie in Paris.
www.recyclism.com
www.ewasteworkshop.com
Petr Žílka (Ztohoven) ist die öffentliche Stimme des tschechischen Künstlerkollektivs Zthohoven. Die Gruppe agiert anonym und tritt nur alle paar Jahre an die Öffentlichkeit, dann allerdings wirkungsvoll. Ihre Spezialität sind Medienhacks und Interventionen im öffentlichen Raum, die gesellschaftliche Kontroversen und nicht selten auch juristische Auseinandersetzungen um die Freiheit der Kunst auslösen. 2003 kommentierten sie das Ausscheiden des Staatspräsidenten Václav Havels, indem sie eine herzförmige Skulptur auf dem Dach der Prager Burg (dem Sitz des Präsidenten) manipulierten und in ein leuchtendes Fragezeichen verwandelten, das über der Stadt schwebte. Für weltweites Aufsehen sorgten sie 2007 mit ihrer Arbeit „The Media Reality“, bei der sie sich in die Wettercams des tschechischen Fernsehens einhackten: Auf den beschaulichen Livebildern vom Wetter am Krkonoše war plötzlich eine Atombombenexplosion zu sehen. Der Name Zthohoven ist ein Wortspiel, das als „der Ausweg“ (Z toho ven) oder „die hundert Durchfälle“ (Sto Hoven) gelesen werden kann. Die Gruppe besteht aus rund zwanzig festen Mitgliedern und wächst bis zu hundert an, wenn sie in Aktion tritt. Mit ihrer Organisation Fair Art, die Künstler, Kuratoren und Rechtsanwälte vernetzt, treten sie zudem für Kunstfreiheit ein und vertreten Künstler in juristischen Auseinandersetzungen. Derzeit gründen Mitglieder der Gruppe einen Hackerspace in Prag.
www.ztohoven.com
www.fairart.cz
Ist das Kunst oder kriminell? Über die Grenzen der Legalität
Wer die Möglichkeiten aufzeigen will, bestehende Systeme aufzubrechen, kommt heute ohne Computerkenntnisse nicht weit. Auch in der Performancekunst wird ein gewisses Knowhow vom Löten bis zum Programmieren immer wichtiger. Wie hat sich das Selbstverständnis der Künstler verändert? Wie stehen sie zu Technik und Bürgertugenden? Performer erzählen von Grenzüberschreitungen, Selbstaufklärung und Hackertum als Teil der Kunst.
Diskussion (in englischer Sprache)
Freitag 21. November 17.00–18.30 Uhr Theater Freiburg, Winterer-Foyer
Teilnahme kostenfrei
Günther Friesinger, geboren 1973 in Graz, lebt in Wien und Graz als Philosoph, Künstler, Kurator und Produzent. Er ist Geschäftsführer von monochrom, Leiter des paraflows Festival für Digitale Kunst und Kulturen in Wien und des Arse Elektronika-Festivals in San Francisco, Produzent des Roboexotica Festivals in Wien, des KOMM.ST Festivals in Anger und der Hedonistika in Montreal und Tel Aviv. Friesinger lehrt Kulturmangement, Produktion und Ausstellungsdramaturgie an verschiedenen Universitäten in Österreich und Deutschland. In den letzten Jahren setzt er sich verstärkt mit Kunst im Öffentlichen Raum, Urban Hacking bis hin zum Thema Leerstände im Stadtgebiet auseinander. Aktuelle Publikationen: The Art of Reverse Engineering: Open – Dissect – Rebuild (2014), Context Hacking: How to Mess with Art, Media, Law and the Market (2013), Geistiges Eigentum und Originalität: Zur Politik der Wissens- und Kulturproduktion (2011), Urban Hacking: Cultural Jamming Strategies in the Risky Spaces of Modernity (2010).
http://2009.paraflows.at/
Martina Leeker studierte Theaterwissenschaft und Philosophie in Berlin und Paris. Sie absolvierte von 1980 bis 1986 eine Theaterausbildung in Paris bei Jacques Lecoq und Etienne Decroux. Von 2002 bis 2010 war sie Juniorprofessorin für Theater und Medien an der Universität Bayreuth und leitete dort das digitale Studio für Medienkunst und Performances mit Medien. Seit Herbst 2013 ist sie Senior Researcher im Digital Cultures Research Lab (DCRL) der Leuphana Universität Lüneburg, wo sie theoretisch und praktisch-künstlerisch im Schwerpunkt „Re-thinking methods“ forscht (http://cdc.leuphana.com/structure/digital-cultures-research-lab/experimentsinterventions/). Außerdem forscht sie in den Bereichen: Kritische Medienanthropologie, Theater und Medien sowie Digitale Kulturen. Sie ist Regisseurin/Dramaturgin für post-dramatisches Theater, Theorie-Theater sowie Wissenschafts-Performances (https://vimeo.com/90844646). Ihre letzte Veröffentlichung: „Theater – Raum – Medien: Optionen für einen reflexiven Umgang mit Medienkulturen“, in: K. Westphal, B. Jörissen (Hrsg.): Vom Straßenkind zum Medienkind: Raum- und Medienforschung im 21. Jahrhundert (2013).
http://cdc.leuphana.com/people/#martina-leeker
Myon Myon ist Physiker und Mitglied im Chaos Computer Club Freiburg. Er arbeitete als AV-Designer bei Konzert- und Theaterbühnen. Heute bringt er nicht nur Online-Kompetenz zu Menschen, die von der rasanten Entwicklung der Maschinen zurückgelassen wurden, sondern qualifiziert vor allem die Computerversteher, denen es an Verständnis mangelt für die reale Situation von jedermensch da draußen. Auf der Suche nach radikal neuen Wegen hin zum lebenslang Weiterlernen hat er auch die Bühne gesucht, zum Beispiel mit dem „Digitalen Theaterlabor“, das die katalanische Truppe „La Fura Dels Baus“ in den 90ern in Freiburg inszenierte. Das Ergebnis war eine auf mehreren Bühnen Europas zeitgleich stattfindende, per Videokonferenz vernetzte Performance. Was damals noch theatrale Avantgarde war, ist zwei Jahrzehnte später für Myon Berufsalltag: Das gemeinsam live online voneinander Lernen durch gemeinsame Performance in einem weltweiten Netz, einer Welt von Bühnen.
Petr Žílka (Ztohoven) ist die öffentliche Stimme des tschechischen Künstlerkollektivs Zthohoven. Die Gruppe agiert anonym und tritt nur alle paar Jahre an die Öffentlichkeit, dann allerdings wirkungsvoll. Ihre Spezialität sind Medienhacks und Interventionen im öffentlichen Raum, die gesellschaftliche Kontroversen und nicht selten auch juristische Auseinandersetzungen um die Freiheit der Kunst auslösen. 2003 kommentierten sie das Ausscheiden des Staatspräsidenten Václav Havels, indem sie eine herzförmige Skulptur auf dem Dach der Prager Burg (dem Sitz des Präsidenten) manipulierten und in ein leuchtendes Fragezeichen verwandelten, das über der Stadt schwebte. Für weltweites Aufsehen sorgten sie 2007 mit ihrer Arbeit „The Media Reality“, bei der sie sich in die Wettercams des tschechischen Fernsehens einhackten: Auf den beschaulichen Livebildern vom Wetter am Krkonoše war plötzlich eine Atombombenexplosion zu sehen. Der Name Zthohoven ist ein Wortspiel, das als „der Ausweg“ (Z toho ven) oder „die hundert Durchfälle“ (Sto Hoven) gelesen werden kann. Die Gruppe besteht aus rund zwanzig festen Mitgliedern und wächst bis zu hundert an, wenn sie in Aktion tritt. Mit ihrer Organisation Fair Art, die Künstler, Kuratoren und Rechtsanwälte vernetzt, treten sie zudem für Kunstfreiheit ein und vertreten Künstler in juristischen Auseinandersetzungen. Derzeit gründen Mitglieder der Gruppe einen Hackerspace in Prag.
www.ztohoven.com
www.fairart.cz
Cesy Leonard, geboren 1982 in Stuttgart, ist Chefin des Planungsstabs des Zentrums für Politische Schönheit, „einer Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit“ (Selbstbeschreibung). Zuletzt sorgte das Zentrum mit der Aktion Erster Europäischer Mauerfall für Schlagzeilen, bei dem unter anderem Gedenkkreuze für Mauertote aus Berlin an der bulgarisch-europäischen Außengrenze angebracht wurden. Nachdem der Berliner Innensenator von „Diebstahl“ sprach, stellte die Gruppe einen Strafantrag an den Berliner Innensenator Frank Henkel mit einer Unterlassungsaufforderung wegen „übler Nachrede“. Cesy Leonard ist leitend an der Stoffentwicklung und Konzeption von Aktionen beteiligt. Sie leitet auch das Filmdepartment des Zentrums für Politische Schönheit. Der Film „Schuld – Die Barbarei Europas“ gewann 2012 den Deutschen Webvideo Preis. Beim Steirischen Herbst inszenierte sie die „Kanzlerin im Untergrund“ von Philipp Ruch.
politicalbeauty.de
Alexandra Müller (Moderation), geboren 1983 in Fulda, studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim, war ein YouTube-One-Hit-Wonder (mit ihrer Hitsingle „Kleiner Hai“), schrieb Texte und machte Perfomance Art. Inzwischen arbeitet sie hauptsächlich als Journalistin für den SWR und lebt irgendwo zwischen Berlin, Baden-Baden und dem Internet. Als @workinggrrrrl twittert sie über Radio, Sex und Feminismus und als jemand mit dem Namen Heiner postet sie eine Menge Selfies auf Facebook.
http://twitter.com/workinggrrrrl
Netzkultur ist eine Veranstaltungsreihe der Berliner Festspiele und der bpb. Kuratiert von Nikola Richter.
Weitere Infos und Themen auf www.netzkultur.berlinerfestspiele.de