Caféhaus-Seminar mit Ricky Wichum

Layla Nieden (Studierende Uni Freiburg) war beim Caféhaus-Seminar mit Ricky Wichum dabei. Ihren Bericht veröffentlichen wir hier ungefiltert:


Das dritte Caféhaus Seminar fand am Dienstag Abend im JosFritz Café, dem Lieblingscafe des promovierenden Soziologen Ricky Wichum statt. Am frühen Abend ist noch nicht allzu viel los. Während sich die fünf Teilnehmer mit dem Thema „Freiheit“ auseinandersetzen, wird die Technik für die Jazznight, welche wöchentlich im JosFritz Cafe stattfindet, vorbereitet. Es ist spannend zu sehen, wie sich der Raum auf die Gesprächssituation auswirkt.

Nachdem alle Teilnehmer ihre Getränke bestellt haben, stellt Herr Wichum seine Thesen zu „Freiheit – Open Access?“ vor. Was ist eigentlich mit dem Titel gemeint? Wie können Menschen zum Begriff „Freiheit“ Zugang finden? Wenn man bei der Suchmaschine Google den Begriff „Freiheit“ eingibt, erscheinen 42 Millionen Ergebnisse auf dem Bildschirm. Gibt man den Begriff „Sicherheit“ ein, erscheinen 195 Millionen Ergebnisse. Jeder Mensch kann heutzutage mit Google Soziologe sein, sagt Wichum, und sich über den Begriff „Freiheit“ informieren – jeder wird jedoch von anderen sogenannten „Soziologen“, wie etwa dem Nachrichtendienst NSA, über das eigene Verhalten und die eigenen Wünsche analysiert. Die eigene Freiheit wird über Daten und statistische Voraussetzungen begrenzt.

Wichum erklärt, dass der Soziologe in einer Beobachter-Rolle ist. Soziologen erforschen, was Freiheit ist, wem sie gehört und wer überhaupt in der Position ist, Freiheit zu verwirklichen. Ricky Wichum selbst gibt keine Definition von „guter“ und „schlechter“ Freiheit, sondern ergründet das Problem der Freiheit. Er betreibt eine historische Herangehensweise und analysiert, wie die Gesellschaft mit der Freiheit umgeht und wie sie darüber reflektiert.

Eine zentrale These des Vortrags ist, dass Freiheit eine aktive Praxis ist. Es benötigt Menschenmassen, um Freiheit zur Wirklichkeit zu bringen, wie zum Beispiel die Französische Revolution. Jeder Bürger ist also selbst für die eigene Freiheit verantwortlich und muss dafür tätig werden. Die Crypto Party, die am Samstag im Festivalzentrum stattfindet, ist ein Beispiel dafür, dass Freiheit ein aktiver Prozess ist: Die Teilnehmer entscheiden selbst, dass sie zu der Crypto Party gehen, sie zeigen Eigeninitiative, da sie sich selbst um ihre eigene Sicherheit im Netz kümmern.

Wichum führt aus, dass wir in einer liberalen Gesellschaft leben. Redefreiheit, Pressefreiheit und Handelsfreiheit muss garantiert und geschützt werden. Immer wenn diese Freiheiten auf der Kippe stehen, steuert die Gesellschaft auf eine Krise zu und das politische System gerät in eine Legitimationskrise.

Zentral ist für Wichum derzeit die Mobilitätsfreiheit: Die Grenzpolitik der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union macht seit den 1990er Jahren einen Unterschied zwischen Menschen: Geschäftsreisende und Touristen erfahren Privilegien, sie können unproblematisch Grenzen überqueren. Check-In Programme ermöglichen es ihnen, am Flughafen selbst einzuchecken, selbst ihre eigenen Daten einzugeben, welche sie dann selbst aktiv kontrollieren können. Migranten und Flüchtlinge andererseits, werden repressiv behandelt und gehindert, den Schengen-Raum zu betreten. Sie haben nur einen Asylantrag. Ermittler der Mitgliedsstaaten der EU können auf die Fingerabdrücke der Asylbewerber zugreifen, um mehrfache Asylanträge einer Einzelperson zu erfassen.

Um aufzuzeigen, wie der Staat strategisch vorgeht, um der Gesellschaft Sicherheit zu gewähren, beschreibt Ricky Wichum die Vorgehensweisen von Terroristen. Die Figur des Terroristen ist asymmetrisch und unbekannt. Terroristen fälschen Ausweise, tarnen sich und leben verborgen in der Gesellschaft. Sie nutzen das Alltagsleben als Maske und schlagen dort zu, wo man es am Wenigsten erwartet und wo der Schaden am Größten ist. Der Feind ist äußerlich nicht erkennbar – er verbirgt sich in Informationen, er zeigt sich erst, wenn man seine Reiseroute sowie seine sozialen Netzwerke erforscht und nach Risikofaktoren absucht. Um Terroristen zu fassen, operiert auch der Staat heimlich und arbeitet mit Daten und digitalen Rechenprozessen. Die Freiheit des Einzelnen wird eingeschränkt, denn jeder Mensch kann ein potentieller Terrorist sein.

Wichum endet seinen Vortrag mit der These, dass Freiheit und Unsicherheit ähnlich sind, zur gleichen Zeit existieren und die Herausforderung eben darin besteht, unter Bedingungen allgemeiner Unsicherheit dennoch Freiheit durchzusetzen.

Die Teilnehmer fragen sich, wie wir heute in einer so komplexen Welt überhaupt Entscheidungen treffen können: Wie können zum Beispiel Menschen Freiheit erlangen, die keine Möglichkeit haben, sich umfassend zu informieren, um aufgeklärt an politischen Diskussionen partizipieren zu können? Die Runde diskutiert das aktuelle Phänomen, dass sich Menschen auf der Straße versammeln, um Veränderung herbei zu führen. Dabei sprechen sie auch über andere Medien als Sprache, sich Wissen anzueignen und bewerten das Festival „Politik im Freien Theater“ als ein Medium der Freiheit, da es einen anderen Zugang zu Themen bietet und ein Erlebnisraum für Gefühle und Sinne öffnet.


Ricky Wichum schreibt zur Zeit eine Dissertation zum Thema Biometrie am Institut für Soziologie
in Freiburg. Zuletzt war er Junior-Fellow der DFG-Kollegforschergruppe »Medienkulturen der
Computersimulation« in Lüneburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind in den Bereichen Soziologische Theorie, Medientheorie und Sicherheit anzusiedeln.

Comments are closed.