Caféhaus-Seminar mit Prof. Gander
Lisa Bellman (Studierende Uni Freiburg) war beim Caféhaus-Seminar mit Prof. Hans-Helmuth Gander dabei. Ihren Bericht veröffentlichen wir hier ungefiltert:
Es regnet. Schon wieder. Der perfekte Tag, um in einem Café zu sitzen, findet Herr Professor Dr. Hans-Helmuth Gander. Hier bekommen fünf FestivalteilnehmerInnen die Möglichkeit, einen ganz privaten Vortrag zu hören und einmal anders mit dem Wissenschaftler ins Gespräch zu kommen.
Es ist sehr laut im Atrium, seinem Lieblingskaffeehaus, Geschirr klappert, der Bondrucker nervt mit seinem mechanischen Gestottere und es wird eine Herausforderung, sich am vierten Festivaltag in dieser Kulisse auf die philosophischen Ausführungen zu konzentrieren. Man sitzt gemeinsam an einem großen, ovalen Tisch mitten im Raum. Es ist Premiere für Prof. Gander, an so einem außergewöhnlichen Ort zu dozieren, gibt er lachend Preis, bevor er seinen Vortrag startet.
Sicherheit und Freiheit. Was ist das für ein Paar? Steht es sich in Opposition gegenüber oder ist es ein Komplement? Die moderne Technik führt uns oft zu dieser Fragestellung. Sind wir freier, oder leichter zu kontrollieren über unser Handy, das Internet und so weiter? Das Sicherheitsverständnis ist stetig im Wandel, so änderten sich die Herausforderungen beispielsweise nach 09/11. In den USA instruiert von je her der Freiheitsgedanke die Sicherheitsstrategien. Ist das in der Periode von 09/11 bis heute immer noch der Fall? Das Beispiel der Vereinigten Staaten zeigt auf, dass Freiheit und Sicherheit miteinander korrespondieren. So sei Freiheit hier die aktive Gewährleistung von Sicherheit. In Europa rückte Sicherheit 2003 in die Reihe der gemeinsamen Grundwerte auf: Gleichheit, Freiheit, Wohlfahrt und Sicherheit. Schon John Locke sieht in der Sicherheit die Aufgabe der Aufrechterhaltung der Rechte und Freiheiten.
Das individuelle Sicherheitsempfinden hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist relativ. Zentral ist hierbei die Unterscheidung von Angst und Furcht. Ersteres beschreibt eine generelle, existenzielle, diffuse Angst vor dem Tod beispielsweise und Zweiteres ist an konkreten Dingen fest zu machen. Die Politik kann nur auf die Furcht Einfluss nehmen. Ihre Aufgabe sei es, wie es der Berliner Politologe Herfried Münkler formuliert hat, ,„tsunamiförmige Angstwellen“ zu verhindern. Prof. Gander verbildlicht die Herausforderungen an der Situation in Mexiko. So sei an der Grenze zu den USA die Polizei mit in die kriminellen Strukturen verwoben und dies führe zu Verlust von Vertrauen. Diese aufkommenden diffusen Ängste ziehen sich bis in den Süden des Landes. Die Politik müsse sie in greifbare Probleme transformieren, um Lösungsstrategien entwickeln zu können. Die Medien spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie können Vertrauen und Sicherheit vermitteln, aber auch Ängste schüren. Die Macht, über die Notwendigkeit der Sicherheitsmaßnahmen des Staates zu urteilen, kommt in unserem Rechtsstaat aber nicht nur den politischen Akteuren oder den Medien zu, sondern auch uns Bürgerinnen und Bürgern. So müssen Bürgerinnen und Bürger sich informieren und selbst politische Diskurse anstoßen. Dieses Festival sei ein gutes Beispiel, wie man politisches Bewusstsein bilden könne. Prof. Gander appelliert an uns, die Bürgerpflichten wahrzunehmen und kritische Anfragen zu stellen. Man solle die Sensibilität der gewählten Abgeordneten fördern, in dem man bspw. in Bürgerforen sie über die eigenen Sorgen informiert. Unser politisches System brauche engagierte Bürgerinnen und Bürger, die das Gespräch am Laufen halten. Man könne nicht Sicherheit und Staat der Freiheit und den Bürgern gegenüberstellen. Wichtig ist, die Verflechtungen zu sehen. Man befinde sich in einem politischen, sozialen und kulturellen Prozess, denn auch die Anbieter der sozialen Netzwerke, die Mobilfunkbranche seien verantwortlich. Sicherheit könne nicht allein vom Staat hergestellt werden.
Skeptisch wurden die ZuhörerInnen als Prof. Gander erklärte, dass wenn in einer Gesellschaft man um seine Existenz kämpft und die oberste Priorität sich der Lebenserhaltung zuwendet, kein Raum mehr sei für Kunst und Wissenschaft. Die teilnehmenden TheatermacherInnen sehen gerade in der individuellen, existenziellen Angst das kreative Moment und die Möglichkeit, durch Kunst der Angst zu entkommen. Sie argumentieren gegen einen Bedeutungsverlust von Kunst in Notsituationen oder Krisen. Indem Kunst mehr Geborgenheitsgefühl gibt ,führt sie zu mehr Sicherheitsempfinden. Sie könne Missstände thematisieren und so die Furcht bekämpfen. Prof. Gander räumt ein, dass die Krise schon immer der Boden der Philosophie und Kunst gewesen sei, betont aber dennoch, dass in einer Gesellschaft erst die basalen Bedürfnisse gestillt sein müssten, um sich der Kunst zuwenden zu können. Er macht einen Unterschied zwischen der Gesellschaft und dem Individuum aus, denn Räume der Kreativität müssen sich frei entfalten können, was von Gesellschaften ökonomisch gesichert werden muss. Deutschland könne dies aktuell, und Syrien nicht. Vielleicht schafft gerade die intime Atmosphäre Raum für mehr Gedanken zu diesem Thema, denn trotz der konzentrierten, kleinen Runde, ist es schwierig, allen Fragen nachzugehen, da Sicherheit und Freiheit aktuell in den vielfältigsten Kontexten aufeinander treffen. So findet natürlich auch das Thema des NSA-Skandals seinen Platz in der Runde, welches zu der Frage führt, was wir eigentlich alles nicht wissen über unsere Sicherheit oder Freiheitsbeschneidung. Wie sehr kann ich dem Staat vertrauen? Ist er alleinig in der Verantwortung, meine Daten nicht zu missbrauchen, oder müssen schon die Konzerne kritisiert werden? Vielleicht muss auch nur ich handeln und bewusst vermeiden, dass meine Daten zusammengeführt werden können. So benutze ein Kollege von Professor Gander beispielsweise zwei Laptops und zwei Handys. Ein Gerät sei niemals online und das andere ausschließlich für die Internetnutzung da.
An diesem Punkt endet das Seminar im Caféhaus mit Ausblick auf die Crypto-Party sowie die Vortrag und Podium am zweiten Festivalwochnenende. Hier können die BesucherInnen u.a. vom Chaos Computer Club lernen, ihre Geräte so zu nutzen, um eine möglichst geringe Datenspur zu hinterlassen.